Ich habe das fantastische Cover von Six of Crows gesehen und wusste, dieses Buch muss ich lesen. Also in Rekordzeit die Vorgängerreihe Grisha gelesen, damit ich mit der Welt vertraut bin, um so schnell wie möglich in das Lied der Krähen einzutauchen. Und ich habe es nicht bereut!
Übersicht Six of Crows
Erster Satz von Six of Crows
Joost hatte zwei Probleme: den Mond und seinen Schnauzer.
Das Lied der Krähen, Leig Barduo, S.11
Ich liebe …
Die Welt
Oh mein Gott, wie selten habe ich mich so sehr in eine Buchwelt verliebt, wie in das schmutzige, gefährliche Ketterdam in Ravka. Aber nicht nur Ketterdam, eine düstere Version von Amsterdam, auch die Welt Ravka mit all ihren vielseitigen Ecken hat mich in den Bann gezogen. Leigh Bardugo hat es wirklich drauf, mit wenigen, präzisen Worten so ein lebendiges Bild zu zaubern, dass ich als notorische Ortsbeschreibung-Überspringerin jeden Absatz über die Gassen, Häfenviertel und Schneewüsten genossen habe. Auch die Karte am Anfang des Buches (und DANKE, dass sie am Anfang sind, nicht am Ende, wo man sie viel zu spät entdeckt) sind auch wunderschön!
Kaz Brekker
Genauso wie mit dem Cover erging es mir, als ich ein Bild zu Kaz gesehen habe – das Buch mit der Figur MUSS ich lesen. Und der düstere, vielschichtige Verbrecheranführer hat mich nicht enttäuscht. Denn er ist kein Antiheld mit einem Herzen aus Gold, das er versteckt. Er ist ein Verbrecher, er bricht Gesetze, er kann grausam und selbstsüchtig und hedonistisch sein. Kein strahlender Held, kein Typ, den man lieben sollte – und doch trifft er mich genau ins Herz.
Alle andere Figuren
Ohne Witz, ich habe selten ein Buch gelesen, bei dem ich sämtliche Protagonisten derart ins Herz geschlossen habe. Zum Beispiel Inej und Nina, zwei auf völlig unterschiedliche Art starke Frauenfiguren mit reichlich Ecken und Kanten. Aber auch Wylan, dessen Beziehung zu seinem Vater mein Herz ein wenig zerrissen hat. Auch bei Jesper und Matthias schafft Bardugo es, ihnen in nur einem Band so viel Tiefe zu verleihen. Ingsgesamt haben alle Figuren ihre ganz eigenen Probleme und Stärken, die immer wieder in Konflikt zueinander geraten und dadurch unfassbar lebendige Charaktere schaffen.
Schreibstil
Ich habe Bardugos Schreibstil schon in Grisha geliebt und finde, sie packt in das Gold der Krähen noch einen drauf. Für mich ist es die perfekte Mischung aus Präzision, Kürze, Beschreibung und Bildhaftigkeit. Dadurch schaff sie es, Sätze zu schreiben, die im Kopf bleiben. Sie verlässt sich nicht auf Adjektive, um Personen und so weiter zu beschreiben, sondern beherrscht Show Don`t Tell auf den Punkt. (Bitte bedenke, dass ich die englische Version gelesen habe und nichts zur Qualität der Übersetzung sagen kann!)
Ich mochte weniger …
Leichte Langatmigkeit
Der Anfang zieht sich ein wenig, bis es wirklich mit der Handlung losgeht. Auch dauert es eine Weile, bis die Figuren kennenlernt – und vielleicht liegt da genau der Grund, warum der Anfang etwas langatmig ist. Denn die sechs Hauptfiguren brauchen einfach Platz, um sich vorzustellen. Mich hat der schleppende Beginn gar nicht so sehr gestört, weil ich einfach die Figuren so spannend fand.
Romantik
Okay, eigentlich liebe ich, dass die Romantik in Six of Crows nicht zu schnell passiert. Die meiste Zeit über sucht mach verzweifelt nach Andeutungen, nach Blicken, nach der Bedeutung zwischen den Zeilen. Und eigentlich will ich auch gar nicht, dass es anders ist. Doch insgeheim habe ich immer darauf gehofft, dass endlich mal irgendwas passiert. Spoiler: Am Ende wurde mein Flehen dann doch ein wenig erhört und für Band 2, Crooked Kingdom, wurde eine gute Grunslange für mehr Romantik gelegt – ich hoffe, Leigh Bardugo enttäuscht mich nicht!
Fehlende Informationen
Etwas, das mich als Leserin der Grisha Trilogie nicht gestört hat, sind die fehlenden oder mangelhaften Erklärungen zur Welt und zu den Grisha. Viele Leser, die ohne die Vorgeschichte direkt mit Six of Crows beginnen, aber fühlen sich dadurch etwas verloren in der Welt. Deshalb empfehle ich jedem, zunächst die Grisha Trilogie zu lesen, die auch absolut lohnenswert ist!
Lieblingszitat
Nina klimperte ihn mit glänzenden Wimpern an. »Du würdest Spaß nicht mal erkennen, wenn er sich an dich heranschleicht und dir einen Lutscher in den Mund steckt.«
Das Lied der Krähen, Leigh Bardugo
Kaz lehnte sich zurück. „Was ist der einfachste Weg, einem Mann die Brieftasche zu rauben?“ „Messer durch die Kehle?“, fragte Inej. „Pistole im Rücken?“, mutmaßte Jesper. „Gift im Becher?“, schlug Nina vor. „Ihr seid alle abscheulich“, sagte Matthias. Kaz verdrehte die Augen. „Der einfachste Weg, einem Mann die Brieftasche zu rauben, ist, ihm zu sagen, dass man seine Uhr klauen wird…“
Das Lied der Krähen, Leigh Bardugo
„I will have you without armor, Kaz Brekker, or I will not have you at all.“
Das Lied der Krähen, Leigh Bardugo
Fazit
Ich liebe Kaz, Inej, Nina, Wylan, Jesper und Matthias. Und ich liebe Six of Crows, trotz kleinerer Startschwierigkeiten. Wenn du mehrdimensionale Charaktere liebst, die im Kopf bleiben, und auf gut ausgearbeitete Welten stehst, kommst du so wie ich garantiert darüber hinweg, dass es etwas dauert, bis die Handlung Fahrt aufnimmt. Deshalb freue ich mich unfassbar auf den nächsten Band und auf die Entwicklung der Figuren!
Rechnerisch liege ich bei 9,5 Punkten, was einer Bewertung von 5 Herzen entspricht!
Schreibstil 10 | Protagonisten 10 | Nebencharaktere 10 |
Spannung 8 | Welt 10 | Idee 9 |
Romantik 8 | Cover 10 | Gesamteindruck 10 |
Bewertung
Nur für die, die ganz genau wissen wollen, wie ich in meiner Six of Crows Rezension bewerte: Das Cover fließt nicht in die Bewertung ein. Die Punkte für Schreibstil, Protagonisten und Spannung werte ich doppelt, da diese für mich besonders wichtig sind. Nebencharaktere, Welt, Idee und Romantik werden normal gewerten, der Gesamteindruck hingegen sogar dreifach. Vielleicht kennst du diese Bücher, bei denen die einzelnen Aspekte nicht ganz stimmig sind, aber trotzdem LIEBST du das Gesamtwerk abgöttisch. Für diesen Fall gibt es meinen Gesamteindruck, der jedoch nicht die Endbewertung darstellt. 🙂